Kampf gegen SLAPP

Am 11. Mai 2022 hat der Nationalrat Raphaël Mahaim (Grüne) die Parlamentarische Initiative “Strategische Gerichtsverfahren gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit in der Schweiz. Für einen besseren Schutz der Medienfreiheit” eingereicht.

Die Parlamentarische Initiative möchte eine gesetzliche Grundlage schaffen, um in der Schweiz das Vorgehen gegen SLAPP besser zu regeln. Damit werden das Recht der Bevölkerung auf Information und die Pressefreiheit in der Schweiz massgeblich geschützt und gestärkt.

Eine breite Allianz der Schweizer Medienlandschaft – darunter investigativ.ch – unterstützt das Anliegen von Nationalrat Mahaim und setzt sich grundsätzlich für einen besseren Schutz vor sogenannten “SLAPP” (strategic lawsuits against public participation) ein.

Was sind SLAPP?

Strategische Gerichtsverfahren gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (Abk. engl. SLAPP) sind Klagen, mit denen Medienschaffende, Verlage oder gemeinnützige Organisationen systematisch eingeschüchtert und bis hin zur faktischen Selbstzensur gedrängt werden sollen. Solche Klagen werden auch eingereicht, wenn sie keine Chance auf Erfolg vor dem Gericht haben. Dennoch zwingen sie die beklagten Medien oder NGOs, die juristische Verteidigung zu finanzieren.

Es ist eine Tatsache, dass aufgrund der Rechtslage in der Schweiz – durch die jüngste Revision des ZPO-Artikels 266 in Zukunft aus Sicht der Medien noch verschärft – solche SLAPP auch hierzulande möglich sind und zunehmen werden. Es besteht konkret die Gefahr, dass “Medienschaffende nach der Androhung drastischer rechtlicher Konsequenzen sich genau überlegen, ob sie erneut über den Kläger berichten” (s. Artikel in der Medienwoche).

Dass SLAPP auch in der Schweiz ein Problem sind, zeigt der “Nationale Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz” (NAP), den das Bundesamt für Kommunikation dieses Jahr ins Leben gerufen hat. Eines der zentralen Themen dort sind solche missbräuchlichen Klagen und die Frage, wie man den Journalismus davor schützen kann.

SLAPP sind insbesondere für kleinere Verlage ein grosses Problem

Wenn das Instrument von Klagen gegen Medien strategisch und missbräuchlich eingesetzt wird, kann es die demokratierelevante, investigative Arbeit der Redaktionen stark beeinträchtigen oder gar verhindern. Während sich grössere Medienunternehmen mit teilweise eigenen Rechtsdiensten noch eher wehren können, sind vor allem kleinere und mittlere Verlage oftmals dem Klagenden ausgesetzt. Der zeitliche und finanzielle Aufwand, sich gerichtlich mit der Klage auseinanderzusetzen, ist hoch und oft nicht tragbar. Ein besserer

Schutz vor SLAPP verhindert, dass mächtige und ressourcenstarke Akteure ein Powerplay gegen einzelne Medien auffahren und damit unliebsame Berichte verhindern. Diese Tatsache widerspricht dem Grundsatz der Pressefreiheit in der Schweiz massiv. Beispiele von Medien, denen genau dies widerfahren ist, gibt es zahlreiche: Gotham City und Vigousse in der Romandie oder die Schaffhauser AZ in der Deutschschweiz beispielsweise wurden durch missbräuchliche Klagen in der Ausübung der journalistischen Tätigkeit spürbar behindert.

Massnahmen gegen SLAPP sind umsetzbar

Nicht nur in der Schweiz sind SLAPP zunehmend ein Problem. Die EU hat sich der Thematik bereits angenommen und im April 2022 einen Entwurf zur neuen Richtlinie veröffentlicht. Die Richtlinie soll es den Gerichten ermöglichen, offensichtlich grundlos angestrebte Verfahren gegen Journalistinnen und Journalisten und Personen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, rasch zurückzuweisen. Sie sieht ausserdem eine Reihe von Verfahrensgarantien und Rechtsmitteln vor, darunter Schadenersatz und abschreckende Sanktionen gegen missbräuchliche Klagen. Auch in vielen anderen Staaten, insbesondere in den USA, gibt es Gesetze, die die negativen Auswirkungen von SLAPP begrenzen sollen. Die Schweiz kann sich in der Lösung des Problems also an den globalen Entwicklungen orientieren.

Zivilprozessordnung: Eine Ausweitung der Problematik

Es kommt hinzu, dass mit der kürzlich verabschiedeten Revision von Artikel 266 in der Zivilprozessordnung (Gesamtrevision läuft noch) die Pressefreiheit in der Schweiz stärker eingeschränkt wurde. Die Hürden für superprovisorische Massnahmen, also potenziell auch für missbräuchliche Klagen, wurden gelockert. Im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen ist die Schweiz auf Rang 14 abgerutscht, dazu trägt etwa auch Artikel 47 im Bankengesetz bei. Und jüngst wurde publik, dass der Quellenschutz im Nachrichtendienstgesetz aufgeweicht werden soll.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Medienschaffenden in der Schweiz sind keinesfalls optimal. Mit dem Vorstoss von Nationalrat Mahaim, der sich als Jurist in seinem beruflichen Alltag mit SLAPP beschäftigt und die Thematik sehr gut kennt, liegt ein besonders dringliches Anliegen auf dem Tisch. Hier besteht die Möglichkeit, insbesondere die kleineren Medienunternehmen oder Freischaffende stärker zu schützen.

Dieser Text stammt von der gemeinsamen unterschriebenen und an die ParlamentarierInnen verschickte Stellungnahme der Medienallianz von u.A. investigativ.ch, Schweizer Medien, Verband Medien mit Zukunft, Schweizer Presserat, SRG SSR, syndicom, impressum, SSM, Reporters Sans Frontières, Öffentlichkeitsgesetz.ch, u.v.m.