Martin Stoll für sein Gesamtwerk ausgezeichnet

Martin Stoll hat den Zürcher Journalistenpreis für sein jahrzehntelanges, prägendes Wirken im Schweizer Investigativjournalismus erhalten. Nebst seiner Arbeit als Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch engagiert er sich bei investigativ.ch im Vorstand. Wir gratulieren herzlich!

«Mit beharrlicher Recherche und unerschrockenem Aufdecken von Missständen – von geheimen Verbindungen des Schweizer Nachrichtendienstes bis hin zu Affären, die Rücktritte auf höchster politischer Ebene nach sich zogen – hat Martin Stoll den Journalismus nachhaltig beeinflusst», so die Jury des Zürcher Journalistenpreis.

Stolls Engagement für Transparenz und öffentliche Zugänge zu Informationen, unter anderem als Gründer von Öffentlichkeitsgesetz.ch, habe die Arbeitsbedingungen ganzer Journalistengenerationen verbessert, heisst es in der Laudatio über den 63-jährigen Preisträger.

Martin Stoll gehört zur Gründergeneration, die 2010 den Verein investigativ.ch ins Leben gerufen haben. Seither engagiert er sich ehrenamtlich im Vorstand und ist damit das amtsälteste Mitglied.

Der Zürcher Journalistenpreis zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen für Journalismus in der Schweiz. Seit 1981 werden herausragende journalistische Leistungen aus Print- und Onlinemedien prämiert. Die Stiftung Zürcher Journalistenpreis wird getragen von den Medienhäusern CH Media, NZZ, Ringier und Tamedia.

Hier die Laudation von Salvador Atasoy zum Nachlesen.

Rückblick auf die Jahreskonferenz 2025

Von Comics über Reels bis hin zu Kunst: Anlässlich des 15-jährigen Vereinsjubiläums veranstaltete investigativ.ch dieses Jahr eine Jubiläumskonferenz zum Thema «Investigativjournalismus neu denken».

Fotos: © Raphael Hünerfauth

Die diesjährige Jahreskonferenz von investigativ.ch war eine Jubiläumskonferenz: Seit 15 Jahren gibt es den Verein investigativ.ch – da das Coronajahr eine Feier zum runden Geburtstag verhindert hatte, wollten wir den nächsten Meilenstein würdigen.

«Zwischen Flipcharts, Käseplatten und grossen Ideen» sei der Verein investigativ.ch entstanden, so erzählte es Gründungsmitglied Martin Stoll bei seiner Ansprache an der Jahreskonferenz am 9. Mai in Bern. Das amtsälteste Vorstandsmitglied schaute anlässlich des 15-jährigen Jubiläums zurück auf die Vereinsgeschichte, die Entwicklung des Investigativjournalismus in der Schweiz und dessen Rolle:

«Wir sind nicht nur Watchdog für die Mächtigen, wir sind auch Watchdog für den Journalismus selbst. Wir bewahren das, was untergehen könnte. Die Sinnhaftigkeit, die Grundlage unseres Berufs ist. Die Idee, dass Journalismus mehr ist als Content. Mehr als Klicks. Mehr als Reichweite.»

Eine Aufzeichnung der Rede von Martin Stoll ist hier zu sehen:

Genau das will das Recherche-Netzwerk investigativ.ch sein: eine Heimat für begeisterte Journalistinnen und Journalisten. Und so stand auch die diesjährige Jahreskonferenz im Zeichen des Austausches, der Inspiration und der Vernetzung über die Redaktionsgrenzen hinweg.

Kreativität nicht nur bei der Recherche

Mit hochkarätigen Gästen sprachen wir in Werkstattgesprächen und Workshops über innovative Erzählformen und kreative Ansätze. Um Kunst ging es bei Jake Rees vom Center for Investigative Journalism in London. Er sprach über sein Projekt Center for Artistic Inquiry and Reporting (CAIR) und zeigte auf, wie künstlerische Methoden neue Perspektiven in der Recherche eröffnen und investigative Geschichten bereichern können.

Graphic Novels sind die Begegnung zweier Disziplinen: Journalismus und Comics. Mit dem Westschweizer Journalisten Eric Burnand und der Deutschschweizer Journalistin Denise Brechbühl Díaz sprachen wir über das Potenzial von gezeichneten Recherchen. Eric Burnand kreierte mit einem Illustrator einen Comicband über die Spionageaffäre rund um den Bundesanwalt René Dubois im Kalten Krieg («Berne, nid d’espions»). Denise Brechbühl recherchierte im schwierigen Bereich der Prostitution und Gewalt; ihre Recherche wurde dank einer Illustratorin in Form eines Comics im «Das Magazin» von Tamedia veröffentlicht.

Publikum miteinbeziehen

Gerade auf Plattformen wie Youtube oder Instagram entstehen derzeit zahlreiche innovative Videoformate, die nicht nur das Ergebnis einer Recherche präsentieren, sondern das Publikum von Anfang an mit auf die investigative Reise nehmen. Darüber sprachen wir mit der RTS-Journalistin Cécile Tran-Tien, die im Youtube-Format Vraiment transparent aufzeigt, wie sie recherchiert – und wo sie scheitert oder weiterkommt. Das Publikum recherchiert sogar mit. Und wir sprachen mit Christian Zeier vom Recherche-Team Reflekt, das grosse Recherchen in humorvolle Kurzvideos verpackt – erzählt von der bekannten Moderatorin und Komikerin Gülsha Adilji. Auch Reflekt hat bereits auf eine Community-Recherche gesetzt.

Weiter durften wir den OSINT-Spezialisten Derek Bowler bei uns begrüssen. Er ist Head of Social Newsgathering bei Eurovision News in Genf. Er zeigte in seinem Workshop die neusten Methoden bei der Recherche mit Open Source Intelligence und künstlicher Intelligenz.

Nicht was, sondern wie erzählen

Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion sprachen wir mit unseren Gästen darüber, welche Formate sich für welche Recherchen am besten eignen. Camille Krafft, Journalistin bei Blick Romandie, hat nach mehreren Artikeln zum Wolf auf das Format Buch gesetzt, um das Thema aus unterschiedlichsten Facetten zu beleuchten («D’un loup à l’autre»).

Michael Bolliger denkt bei SRF Investigativ als Cutter und Storytelling-Konzepter die Erzählform der investigativen Geschichten mit. Und Boris Gygax setzt sich als Leiter Neue digitale Inhalte bei Tamedia mit vektorenübergreifendem Storytelling auseinander – von Podcasts über Social Media Videos bis hin zu neuen Dokfilmformaten.

Ein vollgepackter Nachmittag mit viel neuer Inspiration, der hoffentlich auch etwas Mut macht: Investigative Geschichten lassen sich auf sehr viele verschiedene Arten und Weisen erzählen. Abgerundet wurde die Jahreskonferenz auch dieses Mal durch unser beliebtes Networking-Apéro. Das grosse Interesse und der rege Austausch versicherten einmal mehr: Der Investigativjournalismus in der Schweiz wird mit viel Herzblut gelebt!

Artikel 47 im Bankengesetz gehört geändert!

Noch immer riskieren Medienschaffende strafrechtliche Konsequenzen, wenn sie über geleakte Bankdaten berichten. Das schreckt inzwischen auch ausländische Journalistinnen und Journalisten ab – sie meiden deshalb eine Einreise in die Schweiz. investigativ.ch fordert eine dringende Anpassung des Gesetzes.

«Ich habe beschlossen, nicht mehr in die Schweiz zu reisen», sagt Antonio Baquero, Europa-Koordinator der Investigativ-Plattform OCCRP. Er war 2022 an der Recherche SuisseSecrets beteiligt; seine Artikel haben Compliance-Probleme bei der Credit Suisse offengelegt. «Auch andere Kollegen sind vorsichtig. Ich glaube nicht, dass die Schweizer Behörden mich festnehmen würden. Aber ich möchte einfach nicht riskieren, aufgehalten und befragt zu werden», sagte er gegenüber dem Tages-Anzeiger.

Gemäss Artikel 47 im Schweizer Bankengesetz droht Medienschaffenden bei der Veröffentlichung von Informationen aus geheimen Bankdokumenten ein Strafverfahren mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe. Ins Bewusstsein gerückt ist diese rechtliche Grundlage insbesondere aufgrund der SuisseSecrets, der kollektiven Recherche zu einem Credit-Suisse-Datenleck, an welcher über 160 Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt gearbeitet haben – mit Ausnahme der Schweiz.

Dieses Gesetz schreckt nun offenbar auch ausländische Journalistinnen und Journalisten ab, wie der Tages-Anzeiger letzte Woche publik gemacht hat. Einige namhafte und international renommierte Investigativjournalistinnen und -journalisten scheuen sich davor, Schweizer Boden zu betreten. «Dass damit Schweizer Redaktionen in ihrer Berichterstattung stark eingeschränkt sind und sich ausländische Medienschaffende sogar daran gehindert sehen, in die Schweiz einzureisen, ist eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Pressefreiheit», warnt die Organisation Reporter ohne Grenzen Schweiz. Gemäss Tages-Anzeiger bestätigen mehrere Gutachten dieses rechtliche Risiko.

Bereits aktiv geworden ist offenbar die Bank Reyl: Nach einer kritischen Recherche über die Bank Reyl verschickten die von ihr mandatierten Anwälte den fünf Journalisten ein «angriffiges Schreiben», berichtet der Tages-Anzeiger. Die Anwälte seien von der Bank Reyl mandatiert worden, eine «Strafanzeige wegen Verletzung des Bankgeheimnisses» einzureichen.

Dass ausgerechnet bei diesem für die Schweiz enorm wichtigen Thema die Medien ihre demokratie-politische Aufgabe nicht erfüllen können, ohne dass ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen, ist unhaltbar. Die Bevölkerung hat ein Recht auf Information. investigativ.ch fordert deshalb eine klare gesetzliche Regelung: Journalistische Veröffentlichungen im öffentlichen Interesse dürfen nicht strafbar sein.

Einladung zu unserer Jahreskonferenz 2025

Investigativjournalismus neu denken

Seit 15 Jahren engagiert sich investigativ.ch für tiefgehende Recherchen und unabhängigen Journalismus. Statt zurückzuschauen, wagen wir den Blick nach vorn und beschäftigen uns mit innovativen Erzählformen, neuen Perspektiven und Impulsen für den Investigativjournalismus.

Freut euch auf inspirierende Inputs von Expertinnen und Experten wie Derek Bowler (OSINT-Spezialist), Jake Rees (Centre of Investigative Journalism), Cécile Tran-Tien (RTS), Christian Zeier (Reflekt), Eric BurnandBerne, nid d’espions») und Denise Brechbühl Díaz Eine Prostituierte erzählt»). Zudem gibt unser Gründungsmitglied Martin Stoll einen Rückblick auf die Entwicklung unseres Recherche-Netzwerks (Detailprogramm weiter unten). An der Podiumsdiskussion widmen wir uns mit Camille Krafft, Boris Gygax und Michael Bolliger der Frage: Wie werden investigative Recherchen lebendig?

Lasst euch inspirieren, vernetzt euch und entdeckt neue Wege, investigative Geschichten lebendig und wirkungsvoll zu erzählen. Wir freuen uns auf euch!

Datum: Freitag, 9. Mai 2025

Ort: Hotel Bern Best Western (Zeughausgasse 9, 3011 Bern)

Zeit: Mitgliederversammlung ab 13:15 Uhr, Jahreskonferenz von 14:15 Uhr bis 18:00 Uhr, anschliessend Apéro.

Programm

13h15Mitgliederversammlung (ausschliesslich für Mitglieder)
14h00Eintreffen
14h15Keynote von Martin Stoll
auf Deutsch
15 Jahre investigativ.ch: Gründungsmitglied Martin Stoll schaut zurück auf die Anfänge unseres Recherche-Netzwerks und wagt eine Einordnung der Entwicklung des Investigativjournalismus in der Schweiz. Der langjährige Recherchejournalist unterstützt Medienschaffende heute mit seinem Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch und ist als amtsältestes Vorstandsmitglied auch bei investigativ.ch aktiv.
15h00-15h45Workshops:

– UnionssaalKunst trifft Recherche
auf Englisch
Jake Rees vom Center for Investigative Journalism spricht über sein eigenes Projekt: das Center for Artistic Inquiry and Reporting (CAIR). In einem exklusiven Workshop lernen wir, wie künstlerische Methoden neue Perspektiven in der Recherche eröffnen und investigative Geschichten bereichern können.
Moderation: Anielle Peterhans

– Saal Adrian FrutigerComics: Wie man Recherchen mittels Zeichnungen erzählt
auf Deutsch und Französisch
Aus seiner grossen Recherche ist ein Comicband entstanden: «Berne, nids d’espions» («Bern, Nest der Spionen»). Journalist Eric Burnand erzählt, wie er zusammen mit einem Illustrator das Buch über die Spionageaffäre rund um den Bundesanwalt René Dubois im Kalten Krieg kreiert hat. Journalistin Denise Brechbühl Díaz recherchierte im schwierigen Bereich der Prostitution und Gewalt. Ihre Recherche wurde nicht als Artikel, sondern dank einer Illustratorin in Form eines Comics im «Das Magazin» von Tamedia veröffentlicht. Mit beiden sprechen wir über das Potenzial von Graphic Novels für den Journalismus.
Moderation: Dominique Botti und Eva Hirschi
15h45-16h15Kaffeepause
16h15-17h00Workshops:

– UnionssaalOSINT-Workshop mit Derek Bowler
auf Englisch
This fast-paced 45-minute session by Derek Bowler (Head of Social Newsgathering | Eurovision News) provides a rapid overview of key OSINT techniques tailored for investigative journalists. We’ll cover essential tools and strategies for quickly verifying online information, including image and video analysis, social media investigation, and geolocation basics. You can expect practical tips and real-world examples to boost your journalistic toolkit. Perfect for journalists and researchers seeking to enhance their digital verification skills in a limited timeframe.

– Saal Adrian FrutigerMaking-of als Konzept
auf Deutsch und Französisch
Die RTS hat ein neues Youtube-Format lanciert: Bei Vraiment nimmt die Journalistin Cécile Tran-Tien das Publikum mit auf ihre Recherche und spricht nicht nur über ihre Resultate, sondern zeigt, wie sie beim Recherchieren vorgeht. Christian Zeier vom Recherche-Team Reflekt probt mit Videos für Social Media: Aus langen Recherchen machen sie humorvolle Kurzvideos, in denen Moderatorin Gülsha Adilji komplexe Inhalte auf einfache Weise vermittelt. Mit Cécile Tran-Tien und Christian Zeier sprechen wir über das Potenzial dieser Art von Storytelling – und fragen, ob Journalistinnen und Journalisten zu Influencerinnen oder Youtubern werden müssen.
Moderation: Laura Drompt und Eva Hirschi
17h00Podiumsdiskussion
auf Deutsch und Französisch

Wie werden investigative Recherchen lebendig?
Comics, Bücher, Webserien, Podcasts – spannende Recherchen müssen nicht nur in klassischen Artikeln erzählt werden! Neue Formate können innovative Wege bieten, komplexe Geschichten zugänglich und fesselnd zu machen. Doch was macht ein Medium besonders wirkungsvoll? Wann eignet sich ein Comic besser als eine Doku? Wie entstehen neue Erzählformen, und wo findet man Inspiration? Und wie gewinnt man dadurch neue Abonnentinnen und Abonnenten? Darüber diskutieren: Camille Krafft (Autorin & Journalistin, Blick Romandie), Michael Bolliger (Storytelling-Konzepter und Cutter, SRF Investigativ) und Boris Gygax (Leiter Neue digitale Inhalte bei Tamedia)

Moderation: Sven Altermatt und Eva Hirschi
18h00Apéro

ANMELDUNG

Die Anzahl Plätze für die Jahreskonferenz ist beschränkt. Bitte meldet euch rasch an.

Kosten: 25.- für Mitglieder, 50.- für Nicht-Mitglieder (bitte überweisen auf CH51 0900 0000 8506 3384 1).

MV & Jahreskonferenz 2025
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Ich nehme am anschliessenden Apéro (um 18 Uhr) teil. / Je participe à l'apéritif (à 18h).
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SAVE THE DATE: Jahreskonferenz & MV am 9. Mai 2025

Das Datum für die nächste Mitgliederversammlung und Jahreskonferenz von investigativ.ch steht fest: Wir treffen uns am Freitagnachmittag, 9. Mai 2025 in Bern. Zurzeit sind wir daran, einmal mehr ein spannendes und hoffentlich lehrreiches Programm zusammenzustellen, mit hochkarätigen Gästen, Workshops, Diskussionen und einem Networking-Apéro! Tragt euch bereits das Datum in der Agenda ein, mehr Infos folgen bald.

Stellungnahme zur Revision des Luftfahrtgesetzes

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum Luftfahrtgesetz (LFG) hat investigativ.ch im Namen der Recherchejournalistinnen und -journalisten der Schweiz eine Stellungnahme eingereicht.

Der 2010 gegründete Verein investigativ.ch, in welchem rund 300 Medienschaffende organisiert sind, setzt sich für Presse- und Informationsfreiheit sowie gute Recherchebedingungen für Journalistinnen und Journalisten ein. Der ungehinderte Zugang zu amtlichen Informationen gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip stellt ein wichtiges Arbeitsinstrument von Medienschaffenden dar, da es ihnen erlaubt, Behauptungen zu überprüfen und die Arbeit der Verwaltung zu verstehen. Mit der vorliegenden Revision des Luftfahrtgesetzes (LFG) soll der Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes jedoch stark eingeschränkt werden. Wir erlauben uns, im Folgenden auf die Aspekte der Informationsfreiheit und Transparenz in der zur Diskussion stehenden Vorlage einzugehen und die Sichtweise der Medienschaffenden auf dieses Thema darzulegen.

Gemäss des vorliegenden Gesetzesentwurfs sollen künftig laut Art. 107d Berichte über Audits, Inspektionen, Begutachtungen und Kontrollen von BAZL-beaufsichtigten Organisationen nicht mehr öffentlich zugänglich sein. Auch Meldungen und Unterlagen zu Ereignissen, die dem BAZL gemäss EU-Verordnung 376/2014 übermittelt wurden, sollen vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen werden. Gleiches gilt für Dokumente der Schweizerischen Sicherheitsunter-suchungsstelle (SUST). Dies führt zu einem massiven Transparenzabbau in der Luftfahrtkontrolle, einem Bereich, der viele Menschen unmittelbar betrifft.

Eine wirksame Kontrolle staatlicher Behörden ist aber nur durch Offenlegung gewährleistet – zu diesem Schluss kam auch das Bundesgericht. 2017 hat es in einem wegweisenden Urteil (1C_428/2016) die Verwaltung zu einer transparenten Aufsicht über den öffentlichen Verkehr verpflichtet und eine geplante Geheimhaltungsklausel im Bahngesetz abgelehnt. Es soll verhindert werden, dass ein «Kumpel-System» entsteht, bei welchem Defizite und Missstände im Verborgenen zwischen Direktbeteiligten verhandelt werden, was das Vertrauen in die Kontrollbehörden untergräbt.

Auch im aktuellen Fall wäre eine solche Geheimhaltung problematisch. Die Ausschaltung des Öffentlichkeitsprinzips verhindert eine unabhängige Parallelaufsicht durch interessierte Bürgerinnen und Bürger, Medien und Fachleute, wie sie das heutige Öffentlichkeitsprinzip vorsieht. Die geplante periodische Berichterstattung des BAZL ersetzt das abgeschaffte Öffentlichkeitsprinzip nicht. Eine solche Einschränkung hat vielmehr zur Folge, dass Missstände vertuscht werden können und staatliche Kontrollen nicht ausreichend überprüft werden, was langfristig das Vertrauen in die Verwaltung und die Effektivität der Aufsichtsfunktion schwächt.

Das Parlament hat zudem in der aktuellen Legislaturplanung zum Ausdruck gebracht, dass es mit der aktuellen Umsetzung des Öffentlichkeitsgesetzes nicht zufrieden ist. Unter Artikel 9 Ziel 8 Ziffer 52ter ist die «Beseitigung von Zugangsschranken formeller und finanzieller Art zur Gewährung des staatlichen Öffentlichkeitsprinzips» festgehalten. Es ist bedenklich, dass hier das Öffentlichkeitsprinzip noch stärker eingeschränkt werden soll. Bereits jetzt existieren gemäss des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch rund dreissig Ausnahmen. Wir sind der Auffassung, dass die im Öffentlichkeitsgesetz sowie in weiteren Gesetzen, darunter dem Luftfahrtgesetz, vorgesehenen Schutzmechanismen vollauf genügen, um wirksame Kontrollen sicherzustellen. Das Öffentlichkeitsgesetz bleibt hier ein unverzichtbarer Bestandteil, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Behörden zu stärken.

Wir fordern Sie auf, Art. 107d im Luftfahrtgesetz zu streichen, um die Transparenz in der Verwaltung, eine vom Volk breit akzeptierte Errungenschaft, auch in diesem wichtigen Bereich zu gewährleisten.

Goldener Bremsklotz 2024: Die Nominierten!

Wer soll den Goldenen Bremsklotz 2024 für die grösste Informationsverhinderung des Jahres erhalten? Wie jedes Jahr hat der Vorstand von investigativ.ch aus euren zahlreichen Vorschlägen drei Spitzenkandidaten ausgewählt.

  • Medienfeindlicher Vorstoss: Politiker Thierry Burkart und Alex Kuprecht
  • Bremsende Justiz: Das erstinstanzliche Zivilgericht von Genf
  • Unfaire Medienstelle: Coop-Mediensprecher Kevin Blättler

Abstimmen können alle Mitglieder von investigativ.ch. Sie haben ein entsprechendes Mail erhalten.

Medienfeindlicher Vorstoss

Der Fall «Suisse Secrets» rund um die Credit Suisse hat aufgezeigt, dass die Pressefreiheit im Bankengesetz gestärkt werden müsste, um künftig Recherchen über sensitiven Daten zu ermöglichen. Die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK-S) machte genau das Gegenteil: Sie forderte den Bundesrat mit einem Postulat auf, zu prüfen, ob die Veröffentlichung «rechtswidrig erhaltener und erhobener Daten» künftig strafbar sein soll. Betroffen wären nicht nur Bankdaten, sondern alle vertraulichen Informationen, mit denen Investigativjournalistinnen und -journalisten arbeiten müssen. Hauptverantwortlich für das Postulat sind vor allem zwei Personen: Der ehemalige Ständerat Alex Kuprecht (SVP Schwyz), der als damaliger Präsident der Wirtschaftskommission zu den Initiatoren des Postulats zählt, und Wortführer FDP-Parteichef Thierry Burkart, der in der Debatte versicherte, dass man damit die Pressefreiheit nicht weiter einschränken wolle. Trotz namhafter Kritik von Expertinnen und Experten und einem offenen Protestbrief unseres Recherche-Netzwerks investigativ.ch, der von über 600 Medienschaffenden unterzeichnet worden ist, hat der Ständerat dem pressefeindlichen Vorstoss zugestimmt. Der Bundesrat hat bis Ende 2025 Zeit, einen Bericht auszuarbeiten.

Auszug der Stellungnahme von Thierry Burkart:

Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass ihre sensiblen persönlichen Daten geschützt werden. Dasselbe gilt für Schweizer KMUs, die immer öfter den Angriffen von Cyberkriminellen ausgeliefert sind. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Der Schutz vor Erpressern ist es auch. Das Parlament verlangte vom Bundesrat keine Einschränkungen, sondern einzig einen Bericht, wie diese wichtigen Rechtsgüter vereinbart werden könnten. Es handelt sich also um eine Güterabwägung: Zwischen dem Schutz persönlicher Daten und dem berechtigten Interesse an journalistischer Recherche. An einer solchen Güterabwägung sollten auch kritische Medien, die sich nicht von Cyberkriminellen instrumentalisieren lassen wollen, ein ureigenes Interesse haben.

Ausführliche Nomination & Stellungnahmen

Bremsende Justiz

Die Genfer Onlinebank Flowbank hatte sich massiv überschuldet. Darauf wollte das Westschweizer Wirtschafts- und Finanzzeitung l’Agefi aufmerksam machen. Doch aufgrund einer superprovisorischen Verfügung untersagte die Genfer Justiz dem Medium die Publikation darüber – acht Monate lang. Erst im Juni dieses Jahres konnte l’Agefi die zwei ursprünglichen Artikel wieder onlinestellen; das Berufungsgericht hatte dem Medium Recht gegeben. Die Finma hatte die Onlinebank zu diesem Zeitpunkt aber bereits zwangsgeschlossen. Statt dass Kundinnen und Kunden durch eine rechtzeitige Berichterstattung vor dem sich abzeichnenden Konkurs hätten gewarnt werden können, verhinderte das erstinstanzliche Zivilgericht Transparenz. Dies, obwohl sich die Artikel sachlich auf den Jahresbericht (zu dessen Publikation die Bank ohnehin rechtlich verpflichtet ist) sowie auf einen Prüfungsbericht gestützt haben. Die Leichtfertigkeit, mit der solche vorsorglichen Massnahmen angeordnet werden können, ist äusserst besorgniserregend. Es sind weitere Fälle bekannt (Spionageaktion Katars gegen Fifa-Funktionäre, Öl- und Gasförderer Addax), bei welchen das Genfer Zivilgericht den Medien Maulkörbe verpasste. Und schleppend behandelte. Weitere Fälle von Superprovisorischen gegen Medien sind teilweise seit Jahren hängig.

Die Antwort: Das erstinstanzliche Zivilgericht von Genf möchte keine Stellung nehmen.

Ausführliche Nomination

Unfaire Medienstelle

Als Wirtschaftsjournalist Beat Schmid, Gründer des Onlinemedium tippinpoint.ch, die Medienstelle von Coop anrief, hätte er sich auf eine exklusive Antwort verlassen dürfen. Schmid hatte erfahren, dass Coop das Finanzapp Finance+ nach wenigen Monaten einstellt, und wollte die Information bei der Medienstelle verifizieren. Der stellvertretende Leiter der Coop-Medienstelle, Kevin Blättler, stellte eine Antwort für den Nachmittag in Aussicht. Per Mail vertröstete er Schmid schliesslich auf den nächsten Tag. Doch statt einer persönlichen Antwort erhielt er eine «soeben publizierte Medienmitteilung». Coop nahm Schmids Recherche und Anfrage zum Anlass, das Scheitern des Finanzapps in Form einer Medienmitteilung zu kommunizieren. Solches Vorgehen verletzt die Fairnessregeln und beeinträchtigt die Beziehung zwischen Medienschaffenden und Kommunikationsabteilungen. Medienschaffende müssen darauf vertrauen können, dass sie nicht um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden. Dieses Verhalten schadet nicht nur dem Ansehen des Unternehmens, sondern der gesamten Kommunikationsbranche. Welcher Medienschaffender vertraut einer Medienstelle noch sein Wissen an, wenn er oder sie davon ausgehen muss, dass Informationen aus unerklärten Gründen zurückgehalten werden?

Auszug aus der Stellungnahme von Kevin Blättler:

In diesem spezifischen Fall waren uns leider die Hände gebunden. Die Veränderungen bei Coop Finance+ wurden von einem börsenkotierten Partner nach eingehender Prüfung als potenziell kursrelevant eingestuft. Mit diesem Vorgehen haben wir im Rahmen der Partnerschaft gewährleistet, dass er der gesetzlich vorgeschriebenen Publikationspflicht vollumfänglich nachkommen kann. Daher war es nicht möglich, die Medienanfrage vorgängig zu beantworten.

Ausführliche Nomination & Stellungnahme

Freilassung Assange: Kein Sieg für den investigativen Journalismus

Dass WikiLeaks-Gründer Julian Assange freikommt, ist eine gute Nachricht. Seine Auslieferung hätte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Doch dies als einen historischen Sieg für die Pressefreiheit zu bezeichnen, wie dies viele Organisationen tun, ist falsch.

Im Gegenteil: Pressefreiheit verträgt grundsätzlich keine Deals mit Staatsbehörden.

Dafür, dass Assange gewichtige Dokumente von öffentlichem Interesse ans Licht gebracht hat, war er fünf Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt – ohne Urteil, unter erschwerten Bedingungen. Das ist für einen Rechtsstaat, der die Pressefreiheit als Grundrecht anerkennt, unhaltbar.

Die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten, die einen Missstand beweisen, ist Teil des investigativen Journalismus und grundlegend für eine Demokratie. Für die Publikation von Informationen von öffentlichem Interesse soll niemand auch nur einen einzigen Tag im Gefängnis sitzen.

Die Freilassung von Assange entbindet uns nicht von der Verpflichtung, den ethischen Umgang mit potenziell heiklen Informationen zu reflektieren. Insbesondere muss die Frage, ob die Veröffentlichung von geheimen Informationen Menschenleben gefährden kann, in die Überlegungen zur Publikation einfliessen. Dies betrifft den Umgang von Medienschaffenden mit geheimen, sensiblen Informationen ebenso wie den Umgang von Medien mit Whistleblowern.

Eva Hirschi, Geschäftsführerin investigativ.ch

Anielle Peterhans verstärkt den Vorstand von investigativ.ch

An der Mitgliederversammlung des Recherche-Netzwerks investigativ.ch wurde Anielle Peterhans, Reporterin Recherchedesk Tamedia, einstimmig in den Vorstand gewählt.

An der Jahreskonferenz von investigativ.ch am Freitagnachmittag in Bern haben sich rund 50 Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Schweiz zusammengefunden, um sich über Recherchemethoden auszutauschen. Dieses Jahr widmete sich das Recherche-Netzwerk einem kontroversen Thema: dem Undercover-Journalismus (hier der Rückblick).

An der Mitgliederversammlung, die im Vorfeld der Jahreskonferenz stattfand, orientierte der Verein über aktuelle Projekte. Zudem gab es personelle Veränderungen im Vorstand. Das Recherche-Netzwerk investigativ.ch freut sich, mit Anielle Peterhans eine engagierte und versierte Investigativ-Reporterin für den Vorstand gewonnen zu haben. Anielle Peterhans ist Reporterin beim nationalen Recherchedesk von Tamedia und arbeitet seit 2018 im Journalismus. Heute deckt sie schwerpunktmässig gesellschaftspolitische Missstände auf – unter anderem im Bereich Extremismus, Migration und Sexismus.

Anielle Peterhans hat Politikwissenschaften und Geschichte der Neuzeit in Zürich und Göteborg studiert und ist Absolventin der Journalistenschule MAZ in Luzern. Neben ihrem Studium hat sie Praktika im Ressort Politik bei 20 Minuten und bei der «Rundschau» von SRF absolviert, wo sie anschliessend als Rechercheurin arbeitete. Als Teil eines Recherche-Trios war sie an den Cryptoleaks beteiligt, einer gemeinsamen Recherche von «Rundschau», ZDF und Washington Post, die eine weltweite Abhöroperation von US- und deutschen Geheimdiensten enthüllte.

Danach absolvierte Peterhans ein Volontariat beim Tages-Anzeiger und wurde 2022 Teil des Recherchedesk. Dort publizierte sie mit ihrem Team unter anderem die Cyprus Confidentials, bei denen sie unzählige Verbindungen russischer Oligarchen zu Schweizer Banken aufgedeckt haben. 2024 hat Anielle Peterhans einen «Swiss Press Award» in der Kategorie Online erhalten. Sie wurde für eine Team-Recherche über die Anfeindungen gegen Parlamentsmitglieder zusammen mit Patrick Meier, Oliver Zihlmann, Simone Rau und Sebastian Broschinski ausgezeichnet.

«Vereinte Kräfte werden zunehmend wichtiger»

«Ich freue mich enorm, bei investigativ.ch dabei mitwirken zu können, dass sich engagierte Journalistinnen und Journalisten schweizweit vernetzen und zusammenarbeiten», sagt Peterhans. «Denn vereinte Kräfte – nicht nur über Ressorts, sondern auch über Medienhäuser hinaus – werden zunehmend wichtiger, wenn wir etwas bewegen wollen in unserer Welt. Und das wollen wir doch alle!»

Cathrin Caprez, Co-Präsidentin von investigativ.ch und Wissenschaftsredaktorin bei SRF: «Wir freuen uns riesig, mit Anielle eine so engagierte Kollegin für den Vorstand von investigativ.ch zu gewinnen. Sie bringt beeindruckend viel Erfahrung mit – und damit sicherlich auch viele coole Inputs und Ideen.»

Anielle Peterhans folgt auf Timo Grossenbacher. Timo Grossenbacher verlässt nach vier Jahren den Vorstand, da er sich beruflich neu ausrichtet und neue Projekte in Angriff nehmen will. Er bleibt investigativ.ch weiterhin als Mitglied erhalten. Ebenfalls an der Mitgliederversammlung zurückgetreten ist Marc Meschenmoser, da er den Journalismus verlässt und beruflich eine neue Herausforderung annimmt. investigativ.ch bedankt sich bei beiden für ihr grosses Engagement für den Verein.

Recherche-Apéro mit Anielle Peterhans

Damit die Mitglieder von investigativ.ch das neue Vorstandsmitglied Anielle Peterhans kennenlernen können, findet am 25. Juni um 18 Uhr ein Recherche-Apéro bei Tamedia statt. Anielle Peterhans, Oliver Zihlmann und Christian Brönnimann werden einen Einblick in die kollaborative Recherche rund um die Cyprus Confidentials geben.

Die Recherche-Apéros von investigativ.ch bieten jeweils Einblick in die Hintergründe einer aktuellen, vieldiskutierten Recherche. Beim anschliessenden Apéro gibt es die Möglichkeit, sich über die Recherche auszutauschen und zu vernetzen. Hier zur Anmeldung (exklusiv für Mitglieder von investigativ.ch).