Goldener Bremsklotz 2022

Der Goldene Bremsklotz 2022 geht an BAG-Direktorin Anne Lévy

Die geschwärzten Impfstoffverträge sind nur ein Beispiel für verhinderten Zugang zu Informationen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Deshalb hat das Recherche-Netzwerk investigativ.ch der BAG-Direktorin Anne Lévy den Goldenen Bremsklotz verliehen.

Dass die Öffentlichkeit in schwierigen Pandemie-Zeiten exakte Informationen braucht, um den Behörden zu vertrauen, sollte in einem demokratischen Staat wie der Schweiz eine Selbstverständlichkeit sein. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) setzte aber auf das Gegenteil: Während der Corona-Pandemie ging es fahrig mit dem Öffentlichkeitsgesetz um, schwärzte in den zögerlich herausgegebenen Dokumenten lieber zu viel als zu wenig und orientierte sich nicht an einer vom Öffentlichkeitsbeauftragten und Gerichten formulierten, guten Umsetzungspraxis.

Deshalb hat das Schweizer Recherche-Netzwerk investigativ.ch BAG-Direktorin Anne Lévy den Goldenen Bremsklotz 2022 verliehen. «Immer wieder blitzten Investigativjournalistinnen und
-journalisten beim BAG ab. Einige Medienschaffende warten seit über zwei Jahren auf entscheidende BAG-Dokumente zu Medikamentenpreisen», sagt Marc Meschenmoser, Co-Präsident von investigativ.ch.

Gerade die vom BAG grossflächig geschwärzten Impfstoffverträge haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Statt Transparenz zu schaffen, wie sie Medienschaffende, Parlamentarier und Parlamentarierinnen und Private eingefordert hatten, versorgte das BAG die Öffentlichkeit mit Seiten voller schwarzen Balken. Auch der Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger kritisierte die Art und Weise, wie das BAG die Transparenzbegehren von Medienschaffenden und eines Rechtsanwalts abfertigte.

Pauschal verwies das Amt auf Ausnahmebestimmungen im Gesetz und nahm sich nicht die Mühe, detaillierter darzulegen, inwiefern eine Offenlegung nachteilig sein und dem Gesetz widersprechen könnte. Zudem hatte die Bundesbehörde die betroffenen Unternehmen eineinhalb Jahre nach dem ersten Zugangsgesuch noch immer nicht angehört, so wie dies eigentlich vorgeschrieben wäre.

Zwei weitere Fälle zeigen das zwiespältige Verhältnis der Schweizer Gesundheitsbehörde mit der Öffentlichkeit: Im September 2021 bemühte sich das Konsumentenmagazin K-Tipp um Daten zum CO2-Gehalt in hundert vom Amt gemessenen Schulen. Neun Monate lang verweigerte das BAG den Zugang zu den schlechten Messergebnissen. Auch hier argumentierte das Amt mit einer (unzulässigen) Geheimhaltungsklausel, welche mit den Schulen abgeschlossen worden sei. Nachdem der K-Tipp die Arbeit des Amtes kritisiert hatte, erwog die Kommunikationsabteilung, die Publikation zu bestrafen, indem Anfragen der Zeitschrift «künftig weniger prioritär behandelt werden» – ein krasser Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Ebenfalls die Rechercheredaktion von K-Tipp/saldo verlangte gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz die Herausgabe von Dokumenten über Preismodelle und Rückvergütungen von Medikamenten. In einer Schlichtungsverhandlung stützte der Öffentlichkeitsbeauftragte im Juli 2022 diese Argumentation. Er empfahl, die Preise bekannt zu geben. Nun will das Departement von Bundesrat Alain Berset eine Geheimhaltung von Preisverhandlungen ins Gesetz schreiben. Noch bevor das Parlament darüber diskutiert hat, verhindert das Gesundheitsamt den Zugang zu diesen wichtigen Dokumenten und zwingt Medienschaffende aus politischen Gründen in den für Medien und Verwaltung aufwändigen Rechtsweg.

«Dabei muss die Öffentlichkeit beispielsweise Medikamentenpreise und die Genehmigungspraxis des Bundesamts für Gesundheit nachvollziehen und kontrollieren können. Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die Kosten im Gesundheitswesen transparent sein müssen», so Meschenmoser.

«Wir kritisieren die mangelnde Transparenz beim Bundesamt für Gesundheit und bedauern, dass die Direktorin Anne Lévy sich nicht bereiterklärte, den Bremsklotz persönlich entgegenzunehmen und sich unseren Fragen zu stellen», sagte Marc Meschenmoser anlässlich der Preisverleihung am 21. November in Zürich.

Der Goldene Bremsklotz wurde deshalb ohne die Anwesenheit der Preisträgerin verliehen. In ihrer Stellungnahme liess Anne Lévy verlauten: «Wir erachten die in Ihrem Schreiben erhobenen Kritikpunkte als klar nicht zutreffend. So verweisen wir Sie gerne darauf, dass das BAG jederzeit, dem gerade während der Pandemiezeit sehr verständlichen Interesse der Öffentlichkeit und der Medienschaffenden durch eine transparenzfreundliche Praxis nachkam.»

Die Laudatio von Marc Meschenmoser, Co-Präsident von investigativ.ch