Freilassung Assange: Kein Sieg für den investigativen Journalismus
Dass WikiLeaks-Gründer Julian Assange freikommt, ist eine gute Nachricht. Seine Auslieferung hätte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Doch dies als einen historischen Sieg für die Pressefreiheit zu bezeichnen, wie dies viele Organisationen tun, ist falsch.
Im Gegenteil: Pressefreiheit verträgt grundsätzlich keine Deals mit Staatsbehörden.
Dafür, dass Assange gewichtige Dokumente von öffentlichem Interesse ans Licht gebracht hat, war er fünf Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt – ohne Urteil, unter erschwerten Bedingungen. Das ist für einen Rechtsstaat, der die Pressefreiheit als Grundrecht anerkennt, unhaltbar.
Die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten, die einen Missstand beweisen, ist Teil des investigativen Journalismus und grundlegend für eine Demokratie. Für die Publikation von Informationen von öffentlichem Interesse soll niemand auch nur einen einzigen Tag im Gefängnis sitzen.
Die Freilassung von Assange entbindet uns nicht von der Verpflichtung, den ethischen Umgang mit potenziell heiklen Informationen zu reflektieren. Insbesondere muss die Frage, ob die Veröffentlichung von geheimen Informationen Menschenleben gefährden kann, in die Überlegungen zur Publikation einfliessen. Dies betrifft den Umgang von Medienschaffenden mit geheimen, sensiblen Informationen ebenso wie den Umgang von Medien mit Whistleblowern.
Eva Hirschi, Geschäftsführerin investigativ.ch