Goldener Bremsklotz 2022: Die Nominierten!
Wer soll den Goldenen Bremsklotz 2022 für die grösste Informationsverhinderung des Jahres erhalten? Wie jedes Jahr hat der Vorstand von investigativ.ch aus euren zahlreichen Vorschlägen drei Spitzenkandidaten ausgewählt.
- Fall Geschwärzte Impfstoffverträge: Die Direktorin des BAG Anne Lévy
- Fall Datenschutzleck bei Organspenderegister: Der Direktor von Swisstransplant, Franz Immer
- Fall Diskreditierung von Recherchen: Der Schaffhauser Regierungsrat Walter Vogelsanger
Abstimmen können alle Mitglieder von investigativ.ch. Sie haben ein entsprechendes Mail erhalten.
Die geschwärzten Verträge des BAG
Die geschwärzten Impfverträge des Bundesamts für Gesundheit (BAG) dürften allen präsent sein: Statt Transparenz zu schaffen, wie sie Medienschaffende, Parlamentarier und Parlamentarierinnen und Private eingefordert hatten, versorgte das BAG die Öffentlichkeit mit Seiten voller schwarzen Balken. Pauschal begründet – und nicht wie von der Rechtsprechung verlangt detailliert – verwies das BAG auf Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse der Hersteller. Weder der Kaufpreis einer Impfdosis noch Hinweise zu Vertrags- und Haftungsbedingungen waren den Dokumenten zu entnehmen. Der Vorwurf, den sich das BAG im Fall der Impfstoffverträge gefallen lassen muss: Es geht fahrig mit dem Öffentlichkeitsgesetz um, schwärzt lieber zu viel (als zu wenig) und orientiert sich nicht an einer vom Öffentlichkeitsbeauftragten und Gerichten formulierten, guten Umsetzungspraxis.
Die Antwort der Direktorin des BAG
«Wir erachten die in Ihrem Schreiben erhobenen Kritikpunkte als klar nicht zutreffend.
So verweisen wir Sie gerne darauf, dass das BAG jederzeit, dem gerade während der Pandemiezeit sehr verständlichen Interesse der Öffentlichkeit und der Medienschaffenden durch eine transparenz-freundliche Praxis nachkam. So gingen beispielsweise im Jahr 2021 beim BAG zahlreiche Einsichtsgesuche nach BGÖ ein, wovon alleine 217 Corona-relevante Dokumente betrafen (vgl. hierzu die Statistik im Jahresbericht 2021 des EDÖB). Lediglich bei zwei (sic!) Gesuchen konnte der Zugang nicht gewährt werden, während bei 82 Gesuchen die nachgefragten Dokumente vollständig offengelegt werden konnten. Bei weiteren 93 Gesuchen konnten die einverlangten Dokumente mit gewissen Abdeckungen oder zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht werden. Die restlichen Dokumente waren noch pendent bzw. wurden zurückgezogen. Zudem hat das BAG die häufig nachgefragten Protokolle der Taskforce und anderes mehr stets proaktiv auf seiner Website zugänglich und damit für die interessierte Öffentlichkeit nachvollzieh-bar gemacht. […]»
Ausführliche Nomination und Stellungnahme BAG
Das Datenschutzleck bei Swisstransplant
Im Nationalen Organspenderegister von Swisstransplant sollen Personen ihren Willen zentral festhalten können, damit Ärzte entsprechend handeln können. Es sind sensible Daten in einer Datenbank, die allerdings gravierende Sicherheitsmängel aufwies. Dies zeigten Recherchen von SRF Investigativ anfangs Jahr. Nachdem SRF Swisstransplant eine Woche vor Publikation mit der Recherche konfrontierte, schaltete diese zwar umgehend die Möglichkeit einer Anmeldung ab – mit dem Verweis auf «Vorwürfe» durch SRF. Doch kurz vor der Publikation informierte Direktor Franz Immer SRF, das Register wieder online zu schalten. Zudem kritisierte er die Recherche-Methoden als potential strafbar. Direktor Immer setzte dabei auf die jahrhundertealte Strategie des «Shooting the messenger». Er versuchte, die Arbeit des Investigativ-Journalisten zu kriminalisieren und die allfälligen negativen Folgen des Missstands dem Journalismus in die Schuhe zu schieben. Der Fall Swisstransplant ist ein besonders stossendes Beispiel dafür, dass Verantwortliche vermehrt Aufwand betreiben, Recherchen zu diskreditieren, statt das Problem zu beheben.
Die Antwort des Direktors von Swisstransplant
«Danke für die Nomination für den Goldenen Bremsklotz, dessen Annahme wir keinesfalls ausschlagen würden. Der Bremsklotz als solcher ist ein Element der Sicherheit. Er stabilisiert eine Fuhre, die ausser Kontrolle zu geraten droht und wandelt kinetische Energie in Wärme um. Und damit ist die Situation bei Swisstransplant nahezu punktgenau getroffen.
Es freut uns, nimmt man die Arbeit von Swisstransplant so wahr, dass wir uns keinen Kontrollverlust leisten wollen. Verantwortungsbewusstes Handeln ist immer eines, das die Möglichkeit bietet, innert Kürze reagieren und stabilisieren zu können. Denn in unserer Verantwortung liegt es, Menschen in Ausnahmesituationen Struktur und Halt zu bieten. Menschliche Wärme ist zentrales Element unserer Arbeit, denn es geht hier um das Wichtigste überhaupt: Das Leben als solches und das Vertrauen darin, dass eine Organspende-Karte Sinn stiftet und Leben rettet.»
Ausführliche Nomination und Stellungnahme Swisstransplant
Missstände in Schaffhauser Heim
Eklatante Missstände im Heim «Hand in Hand» in Hemmental bei Schaffhausen waren dem Gesundheitsamt seit mindestens 2018 bekannt, wie Recherchen der Schaffhauser AZ aufzeigten: mangelnde Hygiene, verweigerte Pflegeleistungen, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch durch die Leitung auch während deren Arbeitsschichten. Im Zuge der Recherchen der Schaffhauser AZ waren für Regierungsrat Walter Vogelsanger aber nie die Missstände im Heim das Problem, sondern die Recherchen selber. Als Walter Vogelsanger an einer Sitzung der Gesundheitskommission kritische Fragen beantworten musste, diskreditierte er die Recherchen der AZ: Er finde es «erschreckend, wie schlecht der Artikel in der AZ geschrieben war und wie offen die Bevölkerung für Skandalisierung ist». Für genau diesen Artikel gewann Mattias Greuter den ersten Platz beim Swiss Press Award in der Kategorie Text und wurde Swiss Press Journalist of the Year 2022.
Die Antwort von Regierungsrat Walter Vogelsanger: Walter Vogelsanger hat nicht geantwortet.
Ausführliche Nomination des Regierungsrates