Rückblick auf die erste Swiss Tech Journalism Conference
Die von investigativ.ch und Republik organisierte Veranstaltung zu Techjournalismus stiess auf grosses Interesse – und zeigt, dieses Thema nimmt rasant an Wichtigkeit zu.
Fotos: Ⓒ Raphael Hünerfauth
Längst ist Techjournalismus kein Nischenthema mehr. Davon zeugte auch der gut gefüllte Saal oben im Käfigturm in der Bundeshauptstadt – das Polit-Forum Bern war nicht per Zufall als Location für die erste Swiss Tech Journalism Conference gewählt, denn was die von investigativ.ch und Republik organisierte Veranstaltung gleich zu Beginn zeigte: Techjournalismus hat sehr viel mit Politik zu tun.
Immer mehr digitalpolitische Sachgeschäfte dominieren beispielsweise die Agenda in Bundesbern – von eID über eVoting bis hin zur Covid-App. Adrienne Fichter – krankheitsbedingt via Zoom zugeschaltet – und Patrick Seemann (Republik/Blog «Das Netz Ist Politisch») gingen auf diesen Aspekt in ihrem gemeinsamen Einführungsreferat ein.
Blick hinter die (digitalen) Kulissen
Dass gerade bei der rasanten Entwicklung von digitalen Projekten auch die Medien als kritische Beobachter sehr gefragt sind, zeigte das anschliessende Werkstattgespräch mit der deutschen Journalistin Eva Wolfangel. Sie hatte in einer Artikelserie für DIE ZEIT die Luca-App – eine in Deutschland privat entwickelte Corona-Tracing-App – genauer angeschaut und Sicherheitslücken, Kommunikationstücken und fragwürdige Geschäftspraktiken der Macher aufgedeckt.
Für diese Recherche wurde sie mit dem Surveillance-Studies-Preis 2022 ausgezeichnet. Kürzlich erschien auch ihr Buch «Ein falscher Klick – Hackern auf der Spur: Warum der Cyberkrieg uns alle betrifft» mit spannenden (und realen!) Reportagen aus der Welt der Hacker.
Noch viel Potenzial in der Schweiz
Auch in der Schweiz gibt es viel Potenzial für investigative Techgeschichten, sagte der freie Journalist Mehdi Atmani aus Lausanne. Für die RTS hatte er in einer Dokserie die dunklen Seiten der Crypto AG aufgedeckt – noch bevor sie auch in der Deutschschweiz zum Thema wurden. Dass noch viele solcher Geschichten quasi brachliegen, nahm er als Anlass zum Aufruf an die Medienschaffenden, sich vom Thema Cybersicherheit nicht abschrecken zu lassen. Man müsse nicht programmieren können, um investigative Recherchen in der digitalen Welt anzugehen, sagte Mehdi Atmani.
Dem stimmte auch Hakan Tanriverdi vom Bayerischen Rundfunk zu. Er gab Einblick in seine Recherchen in der Welt der Hacker, denn spionieren diese Unternehmen oder Regierungen aus, dann hinterlassen sie fast immer auch digitale Spuren. Der deutsche Investigativjournalist zeigte Tricks und Tools, wie man den Betrügern auf die Schliche kommen kann. Auch er sagte: Programmieren muss man nicht können.
Dass Medienschaffende eine wichtige Kontrollfunktion bei neuen digitalen Projekten haben – seien es private oder staatliche Initiativen – liess auch Jens Kaessner durchblicken. Der stellvertretende Leiter Telecomrecht beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) sprach im Q & A mit Timo Grossenbacher von investigativ.ch über die Hintergründe von Digitalisierung, IT und Gesellschaft.
Vernetzung über die Redaktionsgrenzen hinweg
Das Recherche-Netzwerk investigativ.ch und das Online-Magazin Republik ziehen eine positive Bilanz der ersten Swiss Tech Journalism Conference. Das Interesse war gross – interessanterweise nicht nur von Seiten der Medienschaffenden, sondern auch von engagierten Informatikern und anderen Personen aus der IT-Branche. Die interessanten Diskussionen wurden beim anschliessenden Apéro weitergeführt.
Die durch Simultanübersetzung zweisprachig durchgeführte Veranstaltung wurde von der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung finanziell unterstützt. Timo Grossenbacher, Vorstandsmitglied von investigativ.ch und Leiter Automated Journalism bei Tamedia, führte durch den Abend.