Rückblick auf die Jahreskonferenz 2024

Wie Medienschaffende an die Grenze gehen – und Grenzen sprengen: Unter diesem Thema fand am Freitagnachmittag, 24. Mai 2024, in Bern die grosse Jahreskonferenz von investigativ.ch statt. Dieses Jahr widmete sich das Recherche-Netzwerk einem kontroversen Thema: dem Undercover-Journalismus.

Fotos: Ⓒ Raphael Hünerfauth

Wann dürfen Journalistinnen und Journalisten verdeckt recherchieren? Was ist aus rechtlicher und medienethischer Sicht erlaubt? Und wie können Reporterinnen und Reporter von den Ermittlungsmethoden aus anderen Berufsfeldern profitieren? Diesen Fragen widmete sich das Recherche-Netzwerk investigativ.ch an der diesjährigen Jahreskonferenz. In Bern wartete ein zweisprachiges Programm (Deutsch und Französisch) mit hochkarätigen Gästen, lehrreichen Workshops und kontroversen Diskussionen auf die Teilnehmenden.

Die Veranstaltung eröffnete Jean Peters von CORRECTIV Deutschland. Er leitete die Recherche «Geheimplan gegen Deutschland», die die grösste Demonstrationswelle auslöste, die es in der Geschichte Deutschlands jemals gab. Über drei Millionen Menschen gingen in den Folgewochen auf die Strasse und positionierten sich gegen Rechts. Wie ist die Recherche entstanden? Was waren die Folgen? Und wie wurde Correctiv danach angegriffen? Jean Peters, der in Potsdam vor Ort war, bot einen Blick hinter die Kulissen der Recherche.

In den anschliessenden Workshops vermitteln investigative Medienschaffende wertvolle Praxis-Tipps und Inputs zu Recherchemethoden. So erzählten Journalist Conradin Zellweger von SRF Investigativ und Barbara Lehmann vom SRF-Rechtsdienst von heiklen Drehs mit versteckter Kamera – ob bei Reichsbürgern, im illegalen Pokerclub oder auf einer Fähre, wo Flüchtlinge eingesperrt werden.

In einer von Timo Grossenbacher (ehemals Tamedia) geleiteten Werkstatt zogen wir Bilanz, wo sich der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Journalismus behauptet hat. Mitglieder von investigativ.ch gaben Tipps und zeigten, wofür sie KI bei eigenen Recherchen verwenden.

Bei Recherchen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche beissen Journalistinnen und Journalisten oft auf Granit. François Ruchti von der RTS hat mit seiner Recherche über die Missbrauchsfälle von Domherren der Abtei Saint-Maurice im Wallis für Aufsehen gesorgt. Dabei kam auch eine verdeckte Kamera zum Einsatz – allerdings nicht vom Journalisten, sondern von einem Opfer. Otto Hostettler vom Beobachter hat Missbrauchsfälle im Bistum Basel und im Kloster Einsiedeln ans Licht gebracht. Er spielte mit anderen Grenzen: Denjenigen des anwaltschaftlichen Journalismus. Eva Hirschi sprach mit ihnen über die Herausforderungen.

Ein weiteres Werkstattgespräch widmete sich Recherchen in den Bereichen, wo Journalismus-Skills ebenfalls gefragt sind. Nicole Meier, bis Ende Mai Chefredaktorin des deutschsprachigen Dienstes von Keystone-SDA, arbeitet bald in einem Teilzeitpensum bei der Polizei am Flughafen Zürich. Und Alexandre Haederli, Prüfexperte bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle, war zuvor Recherchejournalist bei Tamedia. Sven Altermatt fühlte ihnen auf den Zahn.

Die verdeckte Recherche ist eine rechtliche und moralische Gratwanderung. Doch wo liegen ihre Chancen und wo ihre Grenzen? Was müssen Medienschaffende beachten? Darüber sprach Eva Hirschi in einer Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Gästen: Susan Boos vom Schweizer Presserat sprach über die rechtliche und medienethische Perspektive, Sarah Jäggi vom Schweizer Büro der ZEIT von ihrer preisgekrönten verdeckten Recherche zur Beratung von schwangeren Frauen bei der Organisation „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind“, und Jean-Philippe Ceppi von der RTS über den Wandel verdeckter Recherchemethoden – er hat kürzlich ein Buch über die Geschichte der versteckten Kamera im TV-Journalismus publiziert.

Abgerundet wurde die Jahreskonferenz auch dieses Mal durch unser beliebtes Networking-Apéro. Über das grosse Interesse, die lobenden Worte und den regen Austausch haben wir uns sehr gefreut!