Rückblick auf die Jahreskonferenz 2025

Von Comics über Reels bis hin zu Kunst: Anlässlich des 15-jährigen Vereinsjubiläums veranstaltete investigativ.ch dieses Jahr eine Jubiläumskonferenz zum Thema «Investigativjournalismus neu denken».

Fotos: © Raphael Hünerfauth

Die diesjährige Jahreskonferenz von investigativ.ch war eine Jubiläumskonferenz: Seit 15 Jahren gibt es den Verein investigativ.ch – da das Coronajahr eine Feier zum runden Geburtstag verhindert hatte, wollten wir den nächsten Meilenstein würdigen.

«Zwischen Flipcharts, Käseplatten und grossen Ideen» sei der Verein investigativ.ch entstanden, so erzählte es Gründungsmitglied Martin Stoll bei seiner Ansprache an der Jahreskonferenz am 9. Mai in Bern. Das amtsälteste Vorstandsmitglied schaute anlässlich des 15-jährigen Jubiläums zurück auf die Vereinsgeschichte, die Entwicklung des Investigativjournalismus in der Schweiz und dessen Rolle:

«Wir sind nicht nur Watchdog für die Mächtigen, wir sind auch Watchdog für den Journalismus selbst. Wir bewahren das, was untergehen könnte. Die Sinnhaftigkeit, die Grundlage unseres Berufs ist. Die Idee, dass Journalismus mehr ist als Content. Mehr als Klicks. Mehr als Reichweite.»

Eine Aufzeichnung der Rede von Martin Stoll ist hier zu sehen:

Genau das will das Recherche-Netzwerk investigativ.ch sein: eine Heimat für begeisterte Journalistinnen und Journalisten. Und so stand auch die diesjährige Jahreskonferenz im Zeichen des Austausches, der Inspiration und der Vernetzung über die Redaktionsgrenzen hinweg.

Kreativität nicht nur bei der Recherche

Mit hochkarätigen Gästen sprachen wir in Werkstattgesprächen und Workshops über innovative Erzählformen und kreative Ansätze. Um Kunst ging es bei Jake Rees vom Center for Investigative Journalism in London. Er sprach über sein Projekt Center for Artistic Inquiry and Reporting (CAIR) und zeigte auf, wie künstlerische Methoden neue Perspektiven in der Recherche eröffnen und investigative Geschichten bereichern können.

Graphic Novels sind die Begegnung zweier Disziplinen: Journalismus und Comics. Mit dem Westschweizer Journalisten Eric Burnand und der Deutschschweizer Journalistin Denise Brechbühl Díaz sprachen wir über das Potenzial von gezeichneten Recherchen. Eric Burnand kreierte mit einem Illustrator einen Comicband über die Spionageaffäre rund um den Bundesanwalt René Dubois im Kalten Krieg («Berne, nid d’espions»). Denise Brechbühl recherchierte im schwierigen Bereich der Prostitution und Gewalt; ihre Recherche wurde dank einer Illustratorin in Form eines Comics im «Das Magazin» von Tamedia veröffentlicht.

Publikum miteinbeziehen

Gerade auf Plattformen wie Youtube oder Instagram entstehen derzeit zahlreiche innovative Videoformate, die nicht nur das Ergebnis einer Recherche präsentieren, sondern das Publikum von Anfang an mit auf die investigative Reise nehmen. Darüber sprachen wir mit der RTS-Journalistin Cécile Tran-Tien, die im Youtube-Format Vraiment transparent aufzeigt, wie sie recherchiert – und wo sie scheitert oder weiterkommt. Das Publikum recherchiert sogar mit. Und wir sprachen mit Christian Zeier vom Recherche-Team Reflekt, das grosse Recherchen in humorvolle Kurzvideos verpackt – erzählt von der bekannten Moderatorin und Komikerin Gülsha Adilji. Auch Reflekt hat bereits auf eine Community-Recherche gesetzt.

Weiter durften wir den OSINT-Spezialisten Derek Bowler bei uns begrüssen. Er ist Head of Social Newsgathering bei Eurovision News in Genf. Er zeigte in seinem Workshop die neusten Methoden bei der Recherche mit Open Source Intelligence und künstlicher Intelligenz.

Nicht was, sondern wie erzählen

Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion sprachen wir mit unseren Gästen darüber, welche Formate sich für welche Recherchen am besten eignen. Camille Krafft, Journalistin bei Blick Romandie, hat nach mehreren Artikeln zum Wolf auf das Format Buch gesetzt, um das Thema aus unterschiedlichsten Facetten zu beleuchten («D’un loup à l’autre»).

Michael Bolliger denkt bei SRF Investigativ als Cutter und Storytelling-Konzepter die Erzählform der investigativen Geschichten mit. Und Boris Gygax setzt sich als Leiter Neue digitale Inhalte bei Tamedia mit vektorenübergreifendem Storytelling auseinander – von Podcasts über Social Media Videos bis hin zu neuen Dokfilmformaten.

Ein vollgepackter Nachmittag mit viel neuer Inspiration, der hoffentlich auch etwas Mut macht: Investigative Geschichten lassen sich auf sehr viele verschiedene Arten und Weisen erzählen. Abgerundet wurde die Jahreskonferenz auch dieses Mal durch unser beliebtes Networking-Apéro. Das grosse Interesse und der rege Austausch versicherten einmal mehr: Der Investigativjournalismus in der Schweiz wird mit viel Herzblut gelebt!