Quellen für die investigative Wirtschaftsrecherche

Missstände aufdecken und Informationen belegbar machen: Das ist besonders herausfordernd, wenn Firmen diskret über Briefkästen funktionieren, Multis international verflochten sind oder Unternehmer mit Kryptowährungen jonglieren. Wir haben die besten Quellen für solche Recherchen gesammelt.

Dieses Listicle entstand mit der Hilfe von Inputs des Recherchedesks von Tamedia und SRF Investigativ. Fehlt noch eine Quelle? Dann schick uns gerne eine E-Mail an kontakt@nospam-investigativ.ch.

Informanten: Hart zu knacken und Belege zwingend

Insider sind Gold wert, insbesondere bei der Rekonstruktion von Ereignissen (z.B. wer-wusste-wann-was) oder bei Stories rund um Personalpolitik. An sie heranzukommen ist aufwendig, die Zurückhaltung ist in dieser Branche gross. Doch es lohnt sich: Internas kommen oft nur so an die Öffentlichkeit. Weil die Informationslage so dünn ist, besteht jedoch die Gefahr, als Journalist:in instrumentalisiert zu werden, z.B. allein schon dadurch, dass Quellen bestimmte Informationen auslassen. Es gilt hier deshalb strikt das 2-Quellen-Prinzip – und im Idealfall einen zusätzlichen Beleg in Papierform.

Handelsregister: Schau genau hin!

Oft unterschätzte Quellen, da sie nicht so geheimnisvoll anmuten wie ein «Whistleblower». Durch die Recherche in Registern finden wir neue Hinweise, können Netzwerke erforschen und erhalten wichtige Informationen. Interessant sind auch die Möglichkeiten ausländischer Register, wie das Company House in Grossbritannien oder SEC in den USA. Dort gibt es zusätzliche Dokumente, auch über Schweizer Firmen. Open Corporates ist eine Website, die viele Handelsregister der Welt durchsuchbar macht. Ein weiteres Tool ist The Official Board, wo Firmen-Organigramme hinterlegt sind und Manager-Namen, die nicht in den Handelsregistern zu finden sind.

Social Media: Scams und Trolls

Ein wichtiges Tool, um Personen zu finden und potentielle Betrüger zu identifizieren. Viele Scams laufen mittlerweile auf den sozialen Netzwerken. Auf der Suche nach Hinweisen kann X, Reddit oder Instagram wertvoll sein. Vorsicht: Gerade in der Krypto-Szene tummeln sich auch viele (anonyme) Trolls und es gibt gegenseitige Anschuldigungen in der Branche. Posts können gute Hinweise für die Recherche sein, sind aber an sich kein Beleg.

Spezifische Tools und Fachexperten: Krypto-Transaktionen

Transaktionen mit Kryptowährungen sind viel transparenter als gemeinhin angenommen wird. Die Crux bei diesen Recherchen: Die Wallet-Adresse zu identifizieren. Dafür müssen wir Offline-Quellen anzapfen oder Glück haben. Manchmal posten Besitzer ihre Adresse in Foren oder als Spendenaufrufe. Hat man die Adresse, können Transaktionen verfolgt mit Tools wie blockchair.com und etherscan.io werden. Auch ist es möglich, Wallets zu identifizieren, wenn man genügend Informationen (z.B. Zeitpunkt / Höhe des Betrags) hat. Wird es zu technisch, ist es sinnvoll bei der Recherche mit einem Branchenexperten in den Austausch zu gehen.

NGOs: Expertenwissen und Kontakte

Viele Organisationen verfügen über ein breites Netzwerk und tiefes Fachwissen über Firmen. Im deutschsprachigen Raum aktiv sind u.a. Public Eye, Greenpeace, Human Rights Watch, Bedrohte Völker, FinanceWatch. Die Informationen journalistisch zu verifizieren ist auch im Kontakt mit NGOs zentral, z.B. müssen Belege mit journalistischen Kriterien nachvollziehbar sein, Interviews selbst und journalistisch geführt werden. NGOs im Ausland können einen Türöffner sein, um Kontakte oder Betroffene zu finden. Um NGOs in aller Welt zu finden, gibt es Datenbanken, die nach Land und Thema filterbar sind.

Anwälte und Politiker: Insights mit Interessen

Sie haben exklusive Inhalte, die den Durchbruch bei der Recherche bedeuten können. Aber: Sie haben Interessen. Es gilt also wie bei den NGOs die Regel: Wir Journalisten müssen die Informationen unabhängig überprüfen. Wichtig in diesen Fällen: Früh die Gegenseite kontaktieren, um die Gegenargumente zu kennen und die Recherche entsprechend zu gestalten.

Justizdokumente: Die Autobahn zur exklusiven Story

Oft unterschätzt. Strafbefehle, Anklageschriften oder Einstellungsverfügungen enthalten oft eigene Stories oder Hinweise auf weitere Rechercheansätze. Auch verwaltungsstrafrechtliche Verfügungen können interessant sein. Richtig ausgewählt und geplant, kann die Einsicht in diese Dokumente exklusive Stories, die schnell umsetzbar sind, hervorbringen. Strafbefehle sind in den meisten Kantonen einsehbar, mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen – diese erfährt man bei den jeweiligen Ämtern, wo man sich auch anmelden kann.

Das Datenleck: Eine eigene Disziplin

Der Vorteil ist, dass die Informationen direkt mit Daten belegbar sind und das Bild meistens umfassend ist, z.B. alle Dokumente eines Falls geleakt wurden. Der Nachteil ist, dass ein Datensatz oft chaotisch ist und mit viel Aufwand strukturiert werden muss. Und manchmal bringen Lecks ethische und rechtliche Fragen mit sich, z.B. wenn sie ursprünglich als Hack entstanden sind. Das öffentliche Interesse muss beim Verwenden solcher Daten überwiegen. Der Aleph von OCCRP vereint viele Datensätze, die von Journalisten durchsucht werden können.