Der Goldene Corona-Sonder-Bremsklotz 2020 geht ans Seco

Hartnäckig weigerte sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Daten über die Corona-Kredite herauszugeben. Dafür wird das Wirtschaftsamt des Bundes von investigativ.ch, dem Netzwerk von Schweizer Recherche-Journalisten, mit dem Schmähpreis «Goldener Bremsklotz» ausgezeichnet.

Trotz einer eindeutigen Empfehlung des Öffentlichkeitsbeauftragten des Bundes hatte sich das Seco geweigert, beim Corona-Kreditprogramm Transparenz herzustellen. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte Zugang zu Daten über die Kreditvergabe an 100 000 Firmen im Umfang von 17 Milliarden Franken verlangt. Weil die Behörde bis heute nicht bereit war, Informationen selbst in pseudoanonymisierter Form zugänglich zu machen, bleibt vieles über das historische Kreditprogramm im Dunkeln.

Die Mitglieder von investigativ.ch wählten das Seco aus einer Liste mit weiteren Vorschlägen: «Mister Corona» Daniel Koch war unter anderem nominiert, weil er in der Anfangsphase der Corona-Pandemie den Nutzen von Gesichtsmasken systematisch kleinredete. Weiter nominiert war das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieses war nicht in der Lage, Zahlen zur Pandemie rasch und verlässlich zur Verfügung zu stellen. Die Zollverwaltung war Kandidatin für den Schmähpreis, weil sie sich über ihre Bussenpraxis während der Corona-Pandemie in Schweigen hüllte.

Für Georg Humbel, Vorstandsmitglied von investigativ.ch ist die Wahl des Seco zwar überraschend. Der Fall zeige aber exemplarisch, wo auch Schweizer Medienschaffende in ihrem Recherche-Alltag auflaufen würden. Sie seien immer wieder mit einer «ganz normalen, unspektakulären Informationsverhinderung» konfrontiert.

In einer Stellungnahme gegenüber investigativ.ch schreibt das Seco, es sei zum Zeitpunkt des Gesuchs nicht im Besitz der angefragten Daten gewesen, und «selbst wenn wir sie gehabt hätten, nicht herausgeben dürfen». Firmengeheimnisse seien betroffen. Das Amt lehnt die Entgegennahme des Schmähpreises ab.

Mit der Vergabe dieses Goldenen Bremsklotzes – seinem achten – verabschiedet sich Georg Humbel aus dem Vorstand von investigativ.ch. Zudem tritt Serena Tinari nach fünf Vorstandsjahren als Präsidentin zurück. Sie bleibt dem Netzwerk im Beirat erhalten.

Neu wählte der Verein Cathrin Caprez und Marc Meschenmoser ins Co-Präsidium. Meschenmoser wird sein Amt im Frühsommer antreten. Bis dahin übernimmt Cathrin Caprez die Leitung des Vereins. Sie wird dabei von Vize-Präsident Martin Stoll (Sonntagszeitung, Öffentlichkeitsgesetz.ch) unterstützt. Caprez ist studierte Chemikerin und arbeitet bei Radio SRF als Wissenschaftsjournalistin. Neu in den Vorstand gewählt wurde ausserdem Tamedia-Datenjournalist Timo Grossenbacher.

Die Verleihung des Goldenen Bremsklotzes fand dieses Jahr im Rahmen einer digitalen Jahrestagung statt. «Recherchieren – jetzt erst recht» lautete das Motto. Die Veranstaltung wurde mit Unterstüzung von Unicam, dem Studierenden TV der Uni Fribourg aus dem Werkhof in Fribourg ins Internet gestreamt. Journalistinnen und Journalisten in der ganzen Schweiz verfolgten einen Workshop des schwedischen Investigativjournalisten Nils Hanson zum Thema Fakten-Check sowie eine Podiumsdiskussion zum Thema «Recherchieren in Zeiten von Corona». Es diskutierten Lise Bailat, (Bundeshauskorrespondentin 24heures, La Tribune de Genève und Le Matin Dimanche), Bernhard Odehnal (Recherche-Desk Tamedia), sowie der freie Journaliste Sami Zaïbi, der für Heidi.news monatelang eine Gruppe Verschwörungstheoretiker infiltriert hatte.