Der Zensurartikel im Bankengesetz gehört abgeschafft

Die Uno-Sonderberichterstatterin Irene Khan trifft am 1. November verschiedene Akteure der Medienbranche – unter anderem Mitglieder von investigativ.ch –, um über den Zensurartikel im Schweizer Bankengesetz zu diskutieren. investigativ.ch fordert eine Gesetzesänderung.

Am 1. November stattet die Uno-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan, der Schweiz einen offiziellen Besuch ab. Grund ist Art. 47 des Schweizer Bankengesetzes, denn: Bei der Veröffentlichung von geheimen Bankdokumenten riskieren Schweizer Medienschaffende ein Strafverfahren. Dies beanstandet Irene Khan: Es verstosse gegen die Menschenrechte und verletzte die Pressefreiheit.

In einem Interview mit dem Tages-Anzeiger im Mai sagte Irene Khan: «Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.» Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstosse gegen Artikel 19 des UNO-Zivilpakts und gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Meinungs- und Pressefreiheit garantieren. Die Schweiz hat beides unterschrieben und ist daher verpflichtet, sich daran zu halten.

In ihrem Brief an den Bundesrat im März unterstrich Irene Khan zudem, dass Banken Daten weitergeben dürfen, wenn ein überwiegendes Interesse besteht. So konnte etwa die Bank UBS im Februar 2009 Kundendaten an die amerikanischen Behörden weitergeben. Irene Khan kritisiert, dass diese Ausnahmeregelung im Falle eines öffentlichen Interesses für Medien oder Whistleblower nicht gelte.

Schweiz steht am Pranger

Weil aufgrund dieses Gesetzes Schweizer Medienschaffenden nicht an der Kollektivrecherche «SuisseSecrets» zu einem Credit-Suisse-Datenleck berichten konnten, steht die Schweiz seither in der internationalen Kritik. Gemäss Oliver Zihlmann, Co-Leiter des Rechercheteams von Tamedia, habe seine Redaktion wegen dieses Gesetzes auf die Mitarbeit bei den Credit-Suisse-Daten verzichtet.

Gegenüber Persönlich.com führte er aus: «Wenn eine grosse Menge an Bankdaten aus der Schweiz an uns herangetragen wird, die wahrscheinlich mit einer illegalen Bankgeheimnisverletzung nach aussen gelangte, dann ist das Risiko extrem gross, dass uns ein Staatsanwalt anklagt und es auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung der beteiligten Journalisten kommt.»

Auch wenn bisher in der Schweiz kein Fall bekannt ist, in dem Medienschaffende auf der Grundlage solcher Bestimmungen angeklagt wurden: Dieser Artikel führt zu Selbstzensur – ein klarer Verstoss gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Für Oliver Zihlmann geht das Problem noch sehr viel weiter: «Wenn ich die Daten meiner Kollegin am anderen Tischende übergebe, auch ohne diese überhaupt angeschaut zu haben, breche ich bereits das Gesetz. Dieser Paragraf ist also nicht nur ein Publikationsverbot, sondern auch ein Rechercheverbot.»

Das Recherche-Netzwerk investigativ.ch fordert eine Gesetzesänderung: Diese Einschränkung der Pressefreiheit und des investigativen Recherchejournalismus muss abgeschafft werden. Marc Meschenmoser, Co-Präsident von investigativ.ch, sagt: «Gerichte sollten sich in ihrer Beurteilung künftig darauf abstützen können, dass ein höheres öffentliches Interesse überwiegt – auch wenn investigative Journalistinnen und Journalisten Bankauszüge publizieren.»

Derzeit wird das Gesetz im Parlament geprüft. Der Bundesrat hatte sich in einem Antwortschreiben an die UN-Sonderberichterstatterin zur Meinungsfreiheit bekannt.