Goldener Bremsklotz 2018
Jean-Luc Addor, Nationalrat SVP, Wallis
Mittels parlamentarischer Initiative verlangt der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor alle Strafbefehle und Einstellungsverfügungen vom Öffentlichkeitsprinzip ausnehmen. Damit wäre praktisch die ganze Strafjustiz der öffentlichen Kontrolle entzogen worden. Soweit wollte die nationalrätliche Rechtskommission nicht gehen. Doch sie lehnte den Vorstoss nicht einfach ab. Unverständlicherweise übernahm sie einen Teil von Addors Forderungen.
Sie erklärte zwar «nur» noch Einstellungsverfügungen und Nichtanhandnahmeverfügungen zur Geheimsache. Doch auch damit wird die Kontrolle der Justiz massiv geschwächt. Es ist ein wichtiger Aspekt der Justizkontrolle, dass die Öffentlichkeit erfährt, gegen wen und warum ein Verfahren eingestellt wird. Das zeigt zum Beispiel der Fifa-Korruptionsfall rund um die Zuger Sportvermarktungsfirma ISL. Dieser Skandal rund um Schmiergelder an hohe Fifa-Funktionäre wäre ohne Einsicht in die Einstellungsverfügung nie im Detail bekannt worden.
Zudem vermittelt Addor einen falschen Eindruck: Bereits heute gibt es bei eingestellten Verfahren eine Interessenabwägung. Dazu Justizministerin Simonetta Sommaruga im Nationalrat: «Für eine Einsichtnahme braucht es zunächst ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit; zusätzlich muss dieses öffentliche Interesse gewichtiger sein als die Interessen der Justizbehörden oder der Verfahrensbeteiligten, die allenfalls einer Veröffentlichung entgegenstehen. Genau diese Interessenabwägung stellt sicher, dass die Privatsphäre der Personen, die am Verfahren beteiligt sind, geschützt wird.» Addor verschweigt, dass bereits heute die Persönlichkeitsrechte berücksichtigt werden und fordert einen totalen Informationsstopp.
Der Nationalrat lehnte den Vorstoss am 7.3.2018 als Erstrat ab. Doch damit ist die gefährliche Idee noch nicht definitiv vom Tisch. Der Fall Addor steht für die Unsitte, die Justiz zur Geheimsache zu erklären, obwohl die Verfassung deren Urteile für öffentlich erklärt.