Goldener Bremsklotz 2017

Bundestrafgericht Bellinzona

Es ist ein grundsätzliches Problem: Ein Journalist deckt einen Mangel auf und meldet ihn den Behörden. Doch statt Danke zu sagen, wird der Aufdecker von den Behörden verfolgt und bestraft. So geschehen bei Joel Boissard von RTS.

Nach einem Umzug von Frankreich in die Schweiz erhielt er die Abstimmungsunterlagen im Frühling 2015 gleich zweimal. Eine Sicherheitslücke, wie Boissard mit seiner Reportage aufzeigte. Boissard konnte via Genfer E-Voting-System problemlos doppelt abstimmen. Über diesen Missstand und seine doppelte Stimmabgabe informierte Boissard umgehend die Genfer Staatskanzlei. Diese wiederum meldete den „Wahlbetrug“ den Justizbehörden.

Im November 2016 verurteilte die Bundesanwaltschaft Boissard per Strafbefehl. Am 3. April 2017 hat nun auch das Bundesstrafgericht den Journalisten zu einer bedingten Geldstrafe von zwei Tagessätzen von 200 Franken verurteilt und ihm die Verfahrenskosten von 2500 Franken aufgebrummt.

Aus Sicht von investigativ.ch hat die Justiz dabei zu wenig berücksichtigt, dass Boissard als Journalist gehandelt hat. Und dass es ein sehr grosses öffentliches Interesse gibt, Mängel am Wahlsystem aufzudecken. Immerhin handelt es sich dabei um einen Pfeiler unserer Demokratie und der Bund will in Zukunft flächendeckend auf E-Voting setzen. Mängel am System haben also ein staatspolitische Dimension.

Das Bundestrafgericht hätte Boissard aus Sicht von investigativ.ch deshalb den Rechtfertigungsgrund „Wahrung berechtigter Interessen“ zugestehen müssen.

Die Laudatio für das Bundesstrafgericht

Alle Nominationen (inklusive eines Schmähgedichts)